Bild mpu wegen punkten

Beurteilungskriterien und MPU wegen Punkten

Neben den grundlegenden Anforderungen einer Begutachtung (Null-Hypothese) musst Du auch spezielle Anforderungen erfüllen. Diese speziellen Anforderungen hängen vom Schweregrad Deines vom “Normalen” abweichenden Verhaltens im Straßenverkehr ab und was das mit Deiner Persönlichkeit zu tun hat. 

Dazu haben Verkehrspsychologinnen und Verkehrsmediziner einen speziellen Anforderungskatalog entwickelt (V-Hypothesen).

Spezielle Verkehrs-Hypothesen

Für die Verkehr-MPU sind folgende spezielle Hypothesen relevant:

  • Hypothese V1: Generalisierte Störung der emotionalen und sozialen Entwicklung mit schweren Anpassungsstörungen
  • Hypothese V2: Problematische und verfestigte Verhaltensmuster bei
    verminderter Anpassungsfähigkeit
  • Hypothese V3: Fehleinstellungen gegenüber Regelbeachtung mit 
    verminderter Anpassungsbereitschaft

Verkehrspsychologen gehen davon aus, dass Dein auffälliges Verhalten im Straßenverkehr ein Symptom ist, ein Symptom, das mit unterschiedlich schweren Anpassungsstörungen einhergeht. Dabei geht es um Deine Bereitschaft und Fähigkeit, Dich anzupassen bzw. Dich an Verkehrsregeln oder an Regeln überhaupt halten zu wollen oder zu können.

Du denkst, ich übertreibe?

Was meinst Du, wie es dazu kam, dass Dir Deine Fahrerlaubnis entzogen wurde und was hatte das mit Dir zu tun?

Mit Hilfe des Fehlregulationsmodells versuchen Verkehrspsychologen das unterschiedlich stark ausgeprägte Fehlverhalten von Betroffenen zu erklären

  • Diese Anpassungsstörungen nehmen gestuft von Hypothese V3 bis zur Hypothese V1 hinsichtlich ihres Schweregrades zu.
  • Die geringste Störung der Anpassungsfähigkeit weist die Hypothese V3 auf. Hier ist die Anpassungsbereitschaft dieser Betroffenen zur Regelbeachtung vermindert.
  • Die meisten Betroffenen sind den Hypothesen V2 und V3 zuzuordnen.

Damit ein Gutachter entscheiden kann, welcher Hypothese ein Betroffener aufgrund seines Verhaltens zuzuordnen ist, wird er das Verhalten des Betroffenen im Straßenverkehr, seine psychische Situation und sein soziales Verhalten berücksichtigen.

Beginnend mit Hypothese V1 betrachten wir die schwerste Form der Verhaltensauffälligkeit, die auf tiefgreifende Störungen der Persönlichkeit und der emotionalen sowie sozialen Entwicklung des Betroffenen zurückgeführt werden kann. Diese Störungen manifestieren sich in

  • einer gestörten Selbstwahrnehmung
  • und Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle.

Betroffene, die sich unter dieser Kategorie wiederfinden, zeigen ein Verhalten, das das Risiko von Verkehrsunfällen signifikant erhöht, und tendieren dazu, die Gefahren ihres Handelns zu unterschätzen. Das Verhalten ist oft tief verwurzelt und ohne Hilfe eines Therapeuten schwer zu ändern, weshalb eine professionelle Verkehrstherapie als wesentlicher Schritt für die Wiedereingliederung in die Fahrgemeinschaft empfohlen wird. Dabei reicht es nicht, nur ein paar Stunden zu nehmen. Eine solche Therapie wird Dich über einen längeren Zeitraum begleiten, vergleichbar mit einer Langzeittherapie bei einer Suchterkrankung.

Die mittlere Stufe der Verhaltensauffälligkeit wird durch Hypothese V2 beschrieben. Hier ist der Betroffene aufgrund einer verminderten Kontroll- und Anpassungsfähigkeit auffällig geworden. Dieses soziale Verhalten deutet auf ein Missverhältnis zwischen der Einhaltung sozialer Normen und dem Wunsch nach persönlicher Handlungsfreiheit hin.

  • Eine erhöhte Impulsivität
  • und eine Neigung, auf schädliche Impulse zu reagieren, sind charakteristisch für Personen in dieser Kategorie.
  • Sie erleben innere Konflikte und zeigen oft ein unzureichendes Kontrollverhalten im Straßenverkehr.
  • Ihr Verhalten widersteht wesentlichen Änderungen, und sie können Verkehrsregeln als hinderlich für ihre persönliche Entfaltung ansehen.

Betroffene müssen entsprechend des Kriteriums V 2.6 N den Zusammenhang zwischen ihrer Auffälligkeit im Verkehr und den persönlichen Hintergründen erkennen und – in der Regel mit fachlicher, zumeist verkehrspsychologischer Unterstützung – ein angemessenes Problembewusstsein entwickeln.

Die Betroffenen müssen verstehen, dass persönliche Anteile für ihr Fehlverhalten verantwortlich waren.

Schließlich beschreibt Hypothese V3 die geringste Form der Verhaltensauffälligkeit, bei der die betroffene Person in soziale Strukturen integriert ist und nur gelegentlich Auffälligkeiten zeigt, die jedoch tendenziell als kalkulierte Risiken zu verstehen sind. Die Betreffenden neigen dazu, ihr Verhalten und die damit verbundenen Risiken zu rationalisieren und sich in ihrem sozialen Umfeld mit ihrem Fahrkönnen zu brüsten. Obwohl sie häufig die Folgen ihrer Handlungen, wie Bußgelder und Punkte in Flensburg, akzeptieren, wird dies als Teil des Risikos angesehen und nicht unbedingt als Anlass zur Verhaltensänderung (Fehleinstellungen gegenüber Regelbeachtung bei verminderter Anpassungsbereitschaft und/oder aufgrund problematischer Fahrverhaltensgewohnheiten vermehrt oder erheblich gegen verkehrsrechtliche und gegebenenfalls auch strafrechtliche Bestimmungen).

Titelbild Quelle: DALL·E von OpenAI generiert

Quelle: Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 4. Auflage 2022, Hrsg. Dt. Ges. f. Verkehrspsychologie und Dt. Ges. f. Verkehrsmedizin, Kirschbaum Verlag

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