Bild Fahrerlaubnis und Drogenbesitz

Verweigerung von Angaben im Verwaltungsverfahren

Allen bekannt ist, dass Beschuldigte bzw. Angeklagte in einem Strafverfahren sich durch Schweigen verteidigen dürfen, ohne dass dies zu ihren Ungunsten ausgelegt werden darf. Doch wie verhält es sich in Verwaltungsverfahren? 

Der folgende, vom Verwaltungsgerichtshof München entschiedene Fall wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, mit denen sich Betroffene und Behörden konfrontiert sehen, wenn es um die Bewertung der Fahreignung und den Umgang mit Betäubungsmitteln geht. Es zeigt, wie wichtig es ist, ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit der Allgemeinheit und den Rechten des Einzelnen zu finden, besonders in Fällen, in denen die Beweislage komplex und die persönlichen Umstände vielschichtig sind.

Sachverhalt

Zeitraum Ereignis / Maßnahme Rechtliche Grundlage / Anmerkung
Juli 2009 Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Besitz von Betäubungsmitteln. § 69, § 69a StGB
April 2013 Positives medizinisch-psychologisches Gutachten.
August/September 2013 Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis.
April 2015 Beschuldigung wegen Abgabe von Betäubungsmitteln; Verfahren eingestellt gegen Geldauflage. § 153a Abs. 1 StPO
Juli 2015 Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens bezüglich Konsums von Betäubungsmitteln.
Oktober/November 2015 Ärztliches Gutachten bestätigt keinen fortgesetzten Betäubungsmittelkonsum.
Juli 2022 Mitteilung über neues Strafverfahren wegen Betäubungsmittelgesetzverstoß.
November 2022 Erneute Aufforderung zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV
Februar 2023 Ärztliches Gutachten bestätigt keine Hinweise auf Betäubungsmittelkonsum, der die Fahreignung infrage stellt. Anlage 4 zur FeV
Februar 2023 Fahrerlaubnisbehörde bittet um ergänzende Stellungnahme.
Februar 2023 Begutachtungsstelle teilt mit, dass der Antragsteller keine weiteren Angaben zum Drogenbesitz macht.
Februar 2023 Anforderung einer weiteren Stellungnahme wegen nicht ausreichender Kooperation.
April 2023 Begutachtungsstelle verweist auf Recht zur Aussageverweigerung.
Juni 2023 Entzug der Fahrerlaubnis und Androhung eines Zwangsgelds.
Juni 2023 Widerspruch gegen den Bescheid und Abgabe des Führerscheins.
Juni 2023 Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht München.

Der Sachverhalt betrifft einen langwierigen Rechtsfall, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Im Zentrum steht die Frage der Fahreignung eines Betroffenen nach mehrfachen Vorfällen im Zusammenhang mit dem Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln.

  • Juli 2009: Fahrerlaubnisentzug wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Besitz von Betäubungsmitteln.
  • April 2013: Positives medizinisch-psychologisches Gutachten bestätigt Fahreignung. Fahrerlaubnis wird im August/September 2013 erneut erteilt.
  • April 2015: Beschuldigung wegen Abgabe von Betäubungsmitteln, Verfahren endet mit Einstellung gegen Geldauflage.
  • Juli 2015: Fahrerlaubnisbehörde fordert ärztliches Gutachten zur Klärung des Betäubungsmittelkonsums. Kein fortgesetzter Konsum wird bestätigt.
  • Juli 2022: Betroffener wird mit geringer Menge Amphetamin aufgegriffen. Frage der Fahreignung wird erneut aufgeworfen.
  • Februar 2023: Ärztliches Gutachten findet keine Hinweise auf relevanten Drogenkonsum.
  • Juni 2023: Fahrerlaubnisbehörde entzieht dem Betroffenen die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kooperation bei der Aufklärung des Sachverhalts.

Der Betroffene legt Widerspruch ein und beantragt vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht München.

Verfahrensverlauf

  1. Ablehnung des Antrags durch VG: Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs ab. Dies wurde damit begründet, dass der Antragsteller nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat und die Herkunft der Drogen nicht erklärt hat.
  2. Beschwerde gegen VG-Beschluss: Der Antragsteller legte gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde jedoch als unbegründet zurückgewiesen.
  3. Rechtsgrund für die Entscheidung: Gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV darf die Verwaltungsbehörde auf Nichteignung schließen, wenn eine Untersuchung verweigert wird oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt wird. Auch bei teilweiser Verweigerung oder unmöglich gemachter Untersuchung besteht die Möglichkeit der Ablehnung.
  4. Verantwortung und Rechtsirrtum: Eventuelle Rechtsirrtümer aufgrund des Verhaltens der Gutachterin und der Weigerung der Begutachtungsstelle, das Gutachten nachzubessern, liegen in der Verantwortung des Antragstellers. Das Verhalten des Antragstellers rechtfertigt die Anwendung von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV durch die Behörde.
  5. Praxishinweis: Diese Entscheidung hat große Bedeutung für die Praxis und sollte bei ähnlichen Verfahren berücksichtigt werden. Es wird empfohlen, sich den Beschluss zu vergegenwärtigen.

Was regelt § 11 Absatz 8 der Fahrerlaubnisverordnung (FEV)

(8) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 6 hinzuweisen.

Zentrale Botschaft

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes unterstreicht, anders als in Strafverfahren, die Notwendigkeit für Antragsteller im Verwaltungsverfahren, aktiv und transparent bei der Aufklärung von Sachverhalten mitzuwirken, die ihre Fahreignung in Frage stellen könnten. 

Quelle: VGH MünchenBeschluss vom 15.1.2024 – 11 CS 23.1639 BeckRS 2024, 631

Titelbild Quelle: DALL·E von OpenAI generiert