Alternative EU-Führerschein ohne MPU?

Man kann durchaus in Erwägung ziehen, einen EU-Führerschein ohne MPUzu erwerben, muss sich aber der Risiken bewusst sein.

In zahlreichen Entscheidungen hat sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage der Erteilung und Anerkennung einer in einem EU-Land erworbenen Fahrerlaubnis beschäftigt.

Der Grundsatz ist, dass eine in einem EU-Land erworbenen Fahrerlaubnis wechselseitige und bedingungslos von den EU-Ländern anerkannt werden müssen. In Deutschland ist dies im § 28 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV)geregelt. Vgl. auch Anerkennung einer EU/EWR-Fahrerlaubnis in Deutschland nach § 28 FeV.

Geschichte des Führerschein-Tourismus

Im Jahre 2004 entschied der EuGH, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur wechselseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen auch dann besteht, wenn deren Inhaber zum Erwerbszeitpunkt seinen Wohnsitz gar nicht in dem ausstellenden Staat hat. Erforderlich sei lediglich, dass die nationale Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am Tag der Ausstellung der neuen Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Land bereits abgelaufen war.

Durch diese bahnende Rechtsprechung war es möglich geworden durch Führerschein-Tourismus eine medizinisch-psychologische-Untersuchung (MPU) zu umgehen. Man musste als Führerschein-Tourist lediglich darauf achten, dass die Sperrfrist abgelaufen war. Anschließend konnte man ohne Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung nach § 21 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Deutschland ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen, selbst wenn man niemals im Ausstellerstaat gelebt hatte.

Kurswechsel im Jahre 2008 mit Auswirkungen auf den Führerschein-Tourismus

Nach Erlass der Dritten EU-Führerschein-Richtlinie kam es zu einer Kursänderung des EuGH. Die Frage nach einem EU-Führerschein ohne MPU stellte sich in einem anderen Licht dar, denn die Mitgliedsstaaten waren nun berechtigt, eine EU-Fahrerlaubnis dann nicht anzuerkennen, wenn aufgrund von Angaben im Führerschein oder anderen „vom Ausstellermitgliedsstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen“ feststeht, dass der Inhaber zum Ausstellungszeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellerstaat hatte.

Ausnahmen vom Prinzip der bedingungslosen Anerkennung aller von den EU-Ländern ausgestellten Fahrerlaubnisse nach § 28 FeV

Besonderheiten der EU-Fahrerlaubnis ohne MPU

  • Streitig ist, ob die in dem jeweiligen Straf- bzw. Verwaltungsverfahren gewonnen Erkenntnisse zu Beantwortung der Wohnsitzfrage verwertbar sind, wenn diese Informationen nicht aus dem Ausstellerstaat stammen. Es gibt voneinander abweichende Rechtsprechung und damit Rechtsunsicherheit.
  • Allerdings können die Behörden Informationen im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht von Amtswegen aus dem Ausstellerstaat einholen.Damit soll der Frage nachgegangen werden, ob ein Scheinwohnsitz vorliegt.
  • Ergeben sich keine Anhaltspunkt für eine bewusste Umgehung des deutschen Fahrerlaubnisrechts, dann kommt eine Strafbarkeit nach § 21 StVG oder eine Ungültigkeit der EU-Fahrerlaubnis im Inland nicht in Betracht. Rechtsunsicherheit mit Strafbarkeitsfalle nach § 21 StVG.
  • Eine Fahrerlaubnis, die während der laufenden Sperrfrist in einem anderem EU-Staat erworben wurde, wird in Deutschland nicht anerkannt, § 28 Abs. 4 S.1 Nr. 3 und 4 FeV,es sei es wurde von der deutschen Behörde nach Ablauf der Frist das Recht zum Gebrauch der EU-Fahrerlaubnis erteilt, § 28 Abs. 5 S. 1 FeV. Rechtsunsicherheit mit Strafbarkeitsfalle nach § 21 StVG!
  • Die Bestätigung einer Behörde nach Ablauf der Sperrfrist, dass eine EU-Fahrerlaubnis vorhanden ist, berechtigt nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland (OLG Koblenz v. 18.12.13 – 2 Ss 76/13, juris). Rechtsunsicherheit mit Strafbarkeitsfalle nach § 21 StVG!
  • Wurde von einem Strafgericht eine isolierte Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach Ausstellung der EU-Fahrerlaubnis verhängt (§ 69 a Abs. 1 S. 3 StGB), dann darf mit dieser Fahrerlaubnis in Deutschland kein Kraftfahrzeug geführt werden, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 FeV.
  • Wurde ein Fahrverbot erteilt oder die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, dann darf von einer EU-Fahrlerlaubnis ab diesem Zeitpunkt in Deutschland kein Gebrauch mehr gemacht werden, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 FeV.

Es bleibt festzuhalten, dass die Entscheidung, einen EU-Führerschein ohne MPU erwerben zu wollen wohl in den allermeisten Fällen eher eine Ausnahme bleiben sollte wegen der damit verbundenen Risiken.

Bitte beachten Sie, dass die Rechtsprechung zur EU-Fahrerlaubnis kein statischer Zustand ist sondern Veränderungen unterliegen kann und deshalb immer im Auge behalten werden sollte.