Begutachtungsstandards

Ein paar Worte möchte ich zu den Begutachtungsstandards der MPU verlieren, die in den Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsdiagnostik niedergelegt sind, erschienen 2013 in der 3. Auflage im Kirschbaum Verlag, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin.

Gehe positiv in die Begutachtung

  • Gutachter wollen Dich nicht hereinlegen!
  • Gutachter sind immer gut vorbereitet, sie kennen Deine Akte!
  • Gutachter begutachten Dich nicht willkürlich, sondern haben sich an Begutachtungsstandards zu halten.
  • Die Begutachtung ist kein „Idiotentest“ sondern ein diagnostisches Verfahren, mit dessen Hilfe die Frage der Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich Deiner Eignung, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen zu können, beantwortet soll.

Bei diesem Buch „Beurteilungskriterien“ handelt es sich um ein Fachbuch für Verkehrspsychologen bzw. Verkehrspsychologinnen und
VerkehrsmedizinerINNEN. Betroffenen hilft dieses Buch nicht, weil die Materie zu komplex ist und sie sich dann nur mit der Frage beschäftigen, wie Gutachter begutachten und nicht mit sich selbst! Letzteres ist viel wichtiger!

Die Null-Hypothese

Dennoch möchte ich einige Basics vorstellen, weil viele Betroffene schon in einer sehr frühen Phase der Begutachtung an allgemeinen Voraussetzungen der so genannten „Null-Hypothese“ scheitern und nicht verstehen, woran sie gescheitert sind. Wie gesagt, bitte keine Fachbegriffe für das Gespräch merken.

mpu hypothesen

Die Null-Hypothese ist eine Grundannahme:

Man könnte meinen, das sei nicht viel, schließlich sind es nur zwei Voraussetzungen, die sich dieser Grundannahme entnehmen lassen:

Die Befunde konnten erhoben werden und diese sind für die Befundwürdigung verwertbar.

Diese Voraussetzungen werden jedoch leider zu oft unterschätzt.

 

Diese Voraussetzungen sind die Basis der Begutachtung.

Damit nicht jeder Gutachter selbst überlegen muss oder entscheiden kann, was unter diesen beiden in der Grundannahme genannten Voraussetzungen zu verstehen sein soll, wurden so genannte „Beurteilungskriterien“ zur näheren Bestimmung dieser Hypothese formuliert.

Diese Beurteilungskriterien (Null-Hypothese) besagen Folgendes:

Du musst situationsangemessen mitarbeiten.

Das ist eine Selbstverständlichkeit. Andernfalls können die Gutachter keine Befunde erheben und das Gutachten muss negativ ausfallen. Das wäre der Fall, falls Du gar nicht mitarbeitest oder Du beispielsweise häufig bewusst ausweichend antwortest. Ebenso wenig hilfreich sind Beschimpfungen bzw. Drohungen oder Bestechungsversuche. Auf der anderen Seite bist Du nicht verpflichtet, Nachteiliges mitzuteilen, wenn das nicht aktenkundig ist. Ob man sich so verhält, ist aber nicht immer leicht zu beantworten, denn es kann auch sein, dass negative Angaben im Ergebnis positiv bewertet werden, wenn die Gutachter Deine Entwicklung positiv sehen und Dich als ausreichend motivational stabil beurteilen.

Du musst im Gespräch ausreichend offen sein.

Durch Deine Offenheit bekommt der Gutachter für ihn wichtige Hintergrundinformationen, um überhaupt eine Diagnose stellen zu können. Ja, Du liest richtig: Diagnose. Die MPU ist ein diagnostischer Prozess, bei der am Ende die verkehrspsychologische Diagnose beispielsweise einer Drogengefährdung oder „fortgeschrittene Alkoholproblematik“ oder „Alkoholabhängigkeit“ steht. Nach dieser Diagnose richten sich letztlich die Voraussetzungen, die Du erfüllen musst, um eine positive Prognose zu bekommen. Positiv bedeutet, dass die Gutachter am Ende des diagnostischen Prozesses die Meinung vertreten, dass Du wieder geeignet ist und nicht damit zu rechnen ist, dass Du wieder gegen Verkehrsregeln verstoßen wirst.

Bist Du nicht ausreichend offen, können die Gutachter keine Problem- und Verhaltensanalyse durchführen und Dich schon deshalb nur negativ bewerten.

Beispiel

Ungünstig wirken sich vorbereitete Unterlagen oder Schilderung von Tathergängen auf Grundlage einer „vorbereiteten Geschichte“ aus. Du erzählst keine Dich belastenden Tatsachen, weil Du Angst hast, dass sich dies negativ auswirkt, wie beispielsweise die Tatsache, dass Du Dich im Zeitraum Deiner aktenkundigen Auffälligkeit regelmäßig ähnlich verhalten hast, wie am Tattag, also Alkoholkonsum und Autofahren nicht getrennt hast.

Deine Angaben dürfen sich nicht widersprechen.

Deine Angaben zu Deinem Alkoholkonsum passen nicht zum Verhalten am Tattag bzw. zur gemessenen Blutalkoholkonzentration oder Du musst wiederholt gemachte Angaben, beispielsweise zum Alkoholkonsum, korrigieren, weil diese zu Deinen späteren Angaben widersprüchlich sind. Deine Angaben gegenüber der Psychologin und dem Arzt dürfen sich ebenfalls nicht widersprechen. Das könnte unbeabsichtigt beispielsweise passieren, wenn Du der Psychologin sagst, Du seiest seit Oktober des Vorjahres abstinent, entsprechend 13 Monaten), aber dem Arzt einen Zeitraum mitteilst, der von dem genannten abweicht.

Deine Angaben dürfen nicht der Aktenlage oder dem gesicherten Erfahrungswissen des Gutachters oder wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.

Beispiel

Du verstößt gegen wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn Du bei einer gemessenen Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille angibst, Du hättest nur 4 Flaschen Bier à 500 ml getrunken.

„Alles gar nicht so schlimm, wie es aussieht!“

Viele Betroffene glauben oder verspüren das Bedürfnis, sich in Bezug auf ihre Vergangenheit in einem positiven Licht darzustellen: „Alles gar nicht so schlimm, sonst konnte ich Alkoholkonsum und Autofahren trennen!“

Diese Behauptung kann nach hinten losgehen. Betroffene befürchten, dass sie schlechter dastehen, wenn sie ihr Verhalten in der Vergangenheit offenlegen, zum Beispiel ihren tatsächlichen Alkoholkonsum angeben oder vorgeben, dass sie sich auch ansonsten nicht an die Verkehrsregeln gehalten haben und ihnen egal war, ob sie vor ihrer Autofahrt geringere oder größere Mengen Alkohol getrunken hatten.

Diese Behauptung kann deshalb nach hinten losgehen, weil Gutachter wissen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, zweimal mit 0,5 Promille im Straßenverkehr aufzufallen, sondern dieser Auffälligkeit ein regelmäßiges Verhalten zugrundeliegen muss. Es also nicht plausibel ist, wenn Du behauptest, Du hättest Dich ansonsten an die Verkehrsregeln gehalten und im Straßenverkehr keinen Alkohol getrunken.

Gib Dein tatsächliches Trinkverhalten in der Zeit Deiner Trunkenheitsfahrt an!

Negatives Gutachten droht!

Selbst wenn Du zweimal mit „nur“ 0,5 oder 0,6 ‰ aufgefallen sein solltest, ist es wichtig, diese Auffälligkeit nicht zu bagatellisieren! Damit läufst Du Gefahr, dass Du gegen Erfahrungswissen und wissenschaftliche Erkenntnisse widersprichst und schon deshalb die MPU nicht bestehen kannst.

Trinkmenge und Trinkzeit genau bestimmen

Gerade bei niedrigen Blutalkoholkonzentrationen musst Du genau hinsehen, wieviel Alkohol du in welcher Zeit getrunken hast. Sieh Dir deshalb den genauen Trinkverlauf an und berücksichtige die Zeit bis zur Blutentnahme. Es kann rein rechnerisch schon nicht sein, wenn Du angibst, nur eine Flasche Bier getrunken zu haben bei einer ermittelten Blutalkoholkonzentration von 0,5 ‰, wenn seit Trinkende beispielsweise 3 Stunden vergangen sind.

Falls Du bei höheren Blutalkoholkonzentrationen Dich tatsächlich nicht mehr an die von Dir getrunkenen alkoholischen Getränke erinnerst, dann musst Du Dir allerdings die Mühe machen und die unterschiedlichen Getränke und Trinkmengen schätzen, damit der Gutachter Deine Angaben mit den Messwerten aus der Akte abgleichen kann. Passen Deine Angaben nicht zu dem bestimmten Promillewert, sind Deine Angaben unglaubhaft und die Wahrscheinlichkeit zu „bestehen“ ist gering.

Bild Quelle: DALL·E von OpenAI generiert

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