MPU Alkohol

MPU Alkohol: Der Fall

Führen eines Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol. Gemessene Blutalkoholkonzentration von 1,61 Promille. Die Fahrerlaubnis wurde im Strafverfahren entzogen. Kurz vor Ablauf der Sperrfrist von 9 Monaten soll die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragt werden.

 

Die Frage

Der Betroffene wird nach Antragstellung von der Fahrerlaubnisbehörde die Auflage erhalten, seine Eignung durch Beibringen eines Gutachtens nachzuweisen, er wird also eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) absolvieren müssen. In welchen Fällen ist es erforderlich von Alkohol abstinent zu bleiben und wann darf der Betroffene, wenn auch unter deutlich anderen Umständen, durchaus Alkohol konsumieren dürfen?

Die Lösung

Diese Frage sollte man bereits im Ermittlungsverfahren und nicht erst nach Ablauf der Sperrfrist beantworten und wird unter Verkehrspsychologen teilweise kontrovers diskutiert. In den Beurteilungskriterien[1] werden unterschiedliche Fallkonstellationen genannt:

  1. Alkoholabhängigkeit (Hypothese A1)[2]
  2. Der Betroffene ist dauerhaft nicht in der Lage, mit Alkohol kontrolliert umzugehen (Hypothese A2)[3]
  3. Alkoholgefährdung (Hypothese A3)[4]

Hypothese A1 und A2

In den Fällen der Hypothese A1 und A2 lässt sich die Frage nach der Alkoholabstinenz leicht beantworten: A1 und A2 müssen dauerhaft auf Alkoholkonsum verzichten. Abstinenznachweise sind in der Regel über einen Zeitraum von einem Jahr zu erbringen (Kriterium A 2.4 N Nr. 7), ausnahmsweise frühestens nach sechs Monaten. Ob mindestens sechs (vier Kontrollen) oder zwölf Monate (sechs Kontrollen) Abstinenz nachzuweisen sind hängt von der individuellen Vorgeschichte ab.

Wann muss ich Abstinent bleiben (Gruppe A2)?

Hinsichtlich MPU Alkohol hat man in den Beurteilungskriterien mit der Hypothese 2 festgelegt, dass immer dann einen konsequenter Alkoholverzicht erforderlich ist, wenn

  • das frühere Trinkverhalten ein fehlangepasstes Muster von Alkoholkonsum war, das sich in wiederholten und deutlich nachteiligen Konsequenzen manifestiert hat (Kriterium A 2.1 K):
    • wiederholter Alkoholkonsum, obwohl wichtige Verpflichtungen nicht erfüllt wurden (Arbeit, Schule, zu Hause),
    • wiederholter Alkoholkonsum trotz körperlicher Gefährdung,
    • Probleme mit Polizei, Gerichten, Behörden aufgrund des Alkoholkonsums,
    • anhaltender Alkoholkonsum trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme.
  • aus der Lerngeschichte abzuleiten ist, dass der Betroffene nicht hinreichend zuverlässig in der Lage ist, Alkohol kontrolliert zu trinken (Kriterium A 2.2 K).[5]

Für das zweite Kriterium werden zahlreiche Merkmale aus folgenden Bereichen überprüft: Psychische, soziale, deliktische Merkmale, Bedingungen des Trinkens, Motive und Umstände sowie quantitative Merkmale. Hierauf soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Wann ist es wohl möglich, kontrolliert mit Alkohol umzugehen (Gruppe A3)?

Schwerer ist die Frage zu beantworten, ob auch in der Gruppe der Hypothese A3 auf Alkoholkonsum verzichtet und Abstinenz nachgewiesen werden sollte. Dem Wortlaut nach liegt eine „Alkoholgefährdung“ vor. Was bedeutet das?

Zunächst einmal dürfen für eine Alkoholgefährdung weder Abhängigkeit vorliegen noch ein Zustand gegeben sein, bei dem unter einem Gesamtaspekt davon ausgegangen werden muss, dass „hinsichtlich der Verhaltenskontrolle bei der Verkehrsteilnahme nach Alkoholkonsum keine hinreichend zuverlässige Steuerungsfähigkeit angenommen werden kann, um ein hinreichend verlässliches Trennvermögen (Alkoholkonsum und Teilnahme Straßenverkehr) attestieren zu können“[6].

Neben der gemessenen Blutalkoholkonzentration haben Bedeutung „insbesondere die Lerngeschichte bei der Herausbildung einer hohen Alkoholgewöhnung und der damit häufig verbundenen Entwicklung von (…) Automatismen, dem Verlust von körperlicher Alkoholempfindlichkeit als Warnhinweis sowie der Ausbildung von Verdrängungstendenzen in der Wahrnehmung negativer Alkoholkonsumfolgen“[7].

Bei den Betroffenen der Gruppe A3 lagen eine überdurchschnittlich gesteigerte Alkoholtoleranz und/oder unkontrollierte Trinkepisoden vor (Kriterium A 3.1 K) und es dominierten persönliche, nicht-soziale Trinkmotive, insbesondere zeigte sich eine Neigung zu einem ausgeprägten Entlastungstrinken (Kriterium A 3.1 K).

Übrigens sollte der Alkoholkonsum nicht mehr als 24 Gramm (Männer), bzw. 12,5 Gramm (Frauen) pro Tag betragen, entsprechend etwa 600 ml/300 ml Bier oder entsprechend weniger Wein/Schnaps; nicht zu vergessen zwei alkoholfreie Trage.

Kriterien für eine angemessene Problembewältigung sind

  • eine Veränderung des Alkoholtrinkverhaltens in einem ausreichenden Umfang und über eine ausreichende Dauer (Kriterium A 3.3. K),
  • welches motivational gefestigt ist, weil die Veränderung auf der Grundlage eines angemessenen Problembewusstseins eingeleitet wurde und durch stabilisierende Erfahrungen gestützt wird (Kriterium A 3.4. K).
  • Die Verhaltensveränderung kann als stabil gewertet werden, wenn der Betroffene über ausreichende Durchsetzungskompetenz verfügt und Bedingungen, die früher das Trinkverhalten aufrechterhielten (Auslöser und Konsequenzen) nicht mehr vorhanden oder nicht mehr wirksam sind (Kriterium A 3.5. K).[8]

Absolute Kontraindikation sind (d.h. man fällt durch eine MPU durch, sobald eines der folgenden Kriterien erfüllt sind):[9]

  • Wenn in der letzten Zeit eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,5 Promille erreicht wurde hat der Betroffene keine Alkoholwirkung gespü
  • Der Betroffene kann über keine veränderte sensorische, motorische oder psychische Alkoholwirkung berichten.
  • Der Betroffene nimmt die eigene Befindlichkeit als Kriterium für das Weitertrinken oder das Aufhö
  • Der Betroffene lässt sich in geselligen Trinksituationen in seinem eigenen Verhalten von anderen Personen und / oder äußeren Ereignissen leiten.
  • Auffälligkeiten bei der körperlichen Untersuchung.
  • Der Betroffene hat sein Alkoholtrinkverhalten nur aus äußerem Anlass und aus vordergründigen Motiven umgestellt, ohne dass er eine Notwendigkeit dazu aus früher erlebten Nachteilen abgeleitet hä
  • Der Betroffene äußert die Überzeugung, dass eine Alkoholfahrt mit hoher BAK „jedem mal passieren kann“.
  • Der Betroffene sieht die bei ihm gemessene hohe BAK von 1,6 Promille oder mehr als im geselligen Rahmen üblichen Wert an.
  • Der Betroffene gibt oberflächlich triviale Begründungen für einen Alkoholverzicht oder eine Trinkmengenreduzierung an, wie „schmeckt einfach nicht mehr“, …“Das bringt nichts“, … „Geht auch ohne“, … „Einmal muss Schluss sein“.
  • Der Betroffene hat entgegen seinen Vorsätzen in Ausnahmesituationen wieder vermehrt Alkohol konsumiert.
  • Die Umstellung des Alkoholtrinkverhaltens ist eine vorübergehende Änderung der Lebensverhältnisse oder deren Motivation gekoppelt.
  • Der Betroffene bietet Hinweise auf eine erhebliche Selbstsicherheitsproblematik
  • Der Betroffene hat zu den (früher) bevorzugten Trinksituationen keine Alternativen aufgebaut.
  • Durch die Vermeidung von Trinksituationen hat der Betroffene keine befriedigenden Kontakte mehr und fühlt sich „vereinsamt“.

Letztlich ist für jeden Einzelfall zu entscheiden, ob Abstinenz eingehalten werden sollte oder ob durchaus im Rahmen des gesundheitlich Unbedenklichen Alkohol konsumiert werden darf (bis zu 20 Gramm Alkohol an bis zu höchsten fünf Tagen pro Woche für Männer, entsprechend 500 ml Bier oder 250 ml Wein oder Äquivalent).


[1] Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013

[2] Es liegt Alkoholabhängigkeit vor. Eine Entwöhnungstherapie oder eine vergleichbare, i.d.R. suchttherapeutisch unterstützte Problembewältigung hat zu einer stabilen Alkoholabstinenz geführt. (Anmerkung: Abstinenznachweis über 1 Jahr nach Ende der Entwöhnungstherapie).

[3] Der Klient ist nicht dauerhaft in der Lage, mit Alkohol kontrolliert umzugehen. Er verzichtet deshalb konsequent und stabil auf den Konsum von Alkohol.

[4] Es lag eine Alkoholgefährdung vor, die sich in gesteigerter Alkoholgewöhnung, unkontrollierten Trinkepisoden oder ausgeprägtem Entlastungstrinken äußerte. Der Klient hat aufgrund eines angemessenen Problembewusstseins sein Alkoholtrinkverhalten ausreichend verändert, so dass von einem dauerhaft kontrollierten Alkoholkonsum ausgegangen werden kann.

[5] Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013

[6] Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013, S 133

[7] in Anlehnung an Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013, 134

[8] Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013, S 145 ff

[9] Urteilsbildung in der Fahreignung, Beurteilungskriterien, Hrsg. DGVP, DGVM, 3. Aufl., 2013, S 148 ff

 

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