Worum geht es bei der MPU?
Straßenverkehr zu führen. Dabei richten sich die Psychologen und Ärztinnen bei Deiner Begutachtung nach der Fragestellung der Behörde. Die Fragestellung der Behörde richtet sich nach Deiner Vorgeschichte, d. h., welche Auffälligkeiten Du gezeigt hast.
Gutachter beurteilen nicht im luftleeren Raum oder aus dem Bauch heraus, sondern orientieren sich an den Begutachtungsleitlinien der Bundesanstalt für Straßenwesen und den Beurteilungskriterien, worauf ich im Folgenden kurz eingehen möchte.
Entwicklung von Beurteilungskriterien als Standards der Begutachtung
Zur Beantwortung der Frage, ob Du wieder geeignet bist, im Straßenverkehr ein Auto zu führen, haben Verkehrspsychologinnen in Zusammenarbeit mit Verkehrsmedizinern im Laufe der Jahre ein System entwickelt, um eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu standardisieren. Dieses „System“ im Sinne von Standards wurden in den Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsdiagnostik niedergelegt. Dabei gehen Verkehrspsychologen von Grundannahmen aus, den so genannten Hypothesen, die selbst wiederum durch Beurteilungskriterien näher beschrieben werden. Die Beurteilungskriterien wiederum werden durch positive und negative Beispiele näher erläutert.
(Quelle: Schubert, W. ; Dittmann, V. & Brenner-Hartmann, J. (Hrsg.): Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Beurteilungskriterien, Bonn, Kirschbaum Verlag, 3. Auflage 2013)
Was sind Hypothesen?
Eine Hypothese ist eine Annahme, die noch nicht bewiesen ist. Hypothesen in der Fahreignungsbegutachtung sind diagnostische Annahmen der Gutachter. Es gibt unterschiedliche Annahmen (Hypothesen), die Du für ein positives Gutachten alle erfüllen musst, damit die Annahme stimmt, dass Du wieder geeignet bis, ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Es gibt allgemeine und spezielle Hypothesen. Ein Beispiel für eine spezielle Hypothese hast Du gerade kennengelernt: Die Alkoholgefährdung. Solche speziellen Hypothesen gibt es für die Problemkreise Drogen, Alkohol und Verkehr sowie für Abstinenznachweise und psychologische Testverfahren.
Grundannahme der Gutachter – allgemeine Hypothesen
Die Kenntnis von den Grundannahmen der Gutachter, die sich in zwei Hypothesen finden, der generellen Hypothese (*FN* aaO, S 71*FN*) und der Nullhypothese, ist schon deshalb für Dich wichtig, weil viele Betroffene gerade an der Hürde der Nullhypothese scheitern, also erst gar nicht in die Nähe einer positiven Begutachtung kommen können.
Noch einmal zur Erinnerung: Du brauchst Dir solche Begrifflichkeiten wie Hypothesen, Beurteilungskriterien nicht zu merken. Du unterhältst Dich mit dem Gutachter oder der Gutachterin nicht darüber und wirst auch keine positive Prognose erhalten, nur weil Du solche Begriffe kennst. Aber wenn man weiß, was einen erwartet und anhand welcher Kriterien man begutachtet werden soll, dann kann einem das einen Teil der Angst vor der Begutachtung nehmen. Deshalb ganz kurz weiter zu diesem Thema:
Der generellen Hypothese zu folge bist für Dein Handeln nur Du verantwortlich. Also, keine Schuldzuweisungen!
Die Null-Hypothese fordert, dass die erforderlichen Befunde bei Deiner Untersuchung erhoben werden konnten und im Rahmen der Befundwürdigung verwertbar sind.
Man könnte meinen, das sei nicht viel, schließlich sind es nur zwei Voraussetzungen, die sich dieser Grundannahme entnehmen lassen. Diese Voraussetzungen werden jedoch leider zu oft unterschätzt.
Voraussetzungen der Null-Hypothese
Einerseits musst Du bei Deiner Befragung situationsangemessen mitarbeiten. Du antwortest auf konkrete Fragen auch ganz konkret und nicht ausweichend. Um konkret antworten zu können, musst Du Dich zumindest mit dem Themenkomplex der Frage schon einmal beschäftigt haben. Wirst Du von einer Frage überrascht, musst Du über die Antwort nachdenken. Das stellt Dich vor die Aufgabe, Deine Antwort in Gedanken binnen kürzester Zeit auf Plausibilität zu überprüfen und zu prüfen, ob die Antwort eventuell „schädlich“ sein könnte.
„War es das einzige Mal oder haben Sie auch sonst den Alkohol- bzw. Cannbiskonsum nicht von der Verkehrsteilnahme getrennt?“ So oder ähnlich könnte eine Frage an einen Betroffenen lauten, der entweder alkoholisiert mit 1,6 ‰ oder unter Drogeneinwirkung ein Kraftfahrzeug geführt hat. Diese Frage könnte Dich in eine schwierige Lage bringen, wenn Du darüber vorher noch nicht nachgedacht hast. Unterstellt, weil es in den allermeisten Fällen so gewesen sein wird, Du hast nicht auf eine strikte Trennung geachtet, weil Du Dich subjektiv fahrtüchtig gefühlt hast und auch gar nicht darüber nachgedacht hast, dann könnte aus Sorge vor einer negativen Bewertung durch den Gutachter Dein erster Reflex sein, diese Frage zu verneinen. Das Problem ist, Gutachter kennen die Antwort aufgrund Ihres Erfahrungswissens als Psychologen oder Mediziner. Da Du in diesem Fall eine Antwort gegeben hast, die gegen Erfahrungswissen des Gutachters verstößt, hat dies zur Folge, dass Du hinsichtlich Deiner Eignung wohl kein positives Gutachten mehr erhalten kannst.
- Also,
- versuche, bei der Begutachtung situationsangemessen mitzuarbeiten
- sei ausreichend offen (der Gutachter benötigt Informationen für eine Diagnose und den daraus sich ableitenden Voraussetzungen und letztlich der Abgabe einer Prognose)
- widersprich Dir nicht während Ihrer Befragung
- nimm Hinweise der Gutachter ernst, dass etwas so nicht sein kann, was Du gerade erzählt hast
- bedenke, dass Du mit Deinen Behauptungen nicht gegen Erfahrungswissen der Gutachter, gegen wissenschaftliche Erkenntnisse und auch nicht gegen die in Deiner Fahrerlaubnisakte dokumentierten Tatsachen verstoßen darfst.
Spezielle Hypothesen Alkohol
Ich möchte dieses Kapitel nicht zu ausführlich gestalten, da es sich vorwiegend um fachlich-psychologisch bzw. ärztliche Aspekte der Befunderhebung handelt. Dies führt hier zu weit. Dennoch möchte ich kurz das Konzept der speziellen Hypothesen für den Bereich Alkohol vorstellen, welches ich an der ein oder anderen Stelle schon erwähnt hatte.
Der Abbildung kannst Du entnehmen, dass es drei verschiedene Annahmen (Hypothesen) gibt:
- Die Alkoholabhängigkeit,
- die „fortgeschrittene Alkoholproblematik“
(Diese wird in den Beurteilungskriterien nicht wie bei den Drogen als solche bezeichnet, sondern Betroffene sind nicht in der Lage, ihren Alkoholkonsum von der Verkehrsteilnahme zu trennen und müssen daher lebenslang abstinent bleiben. )
- und die Alkoholgefährdung.
Damit die Gutachter vom Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit ausgehen dürfen, müsste diese Diagnose entweder bereits vorher festgestellt worden sein, beispielsweise nach einem stationären Aufenthalt aufgrund einer entsprechenden Befundlage oder diese Diagnose müsste sich während der MPU bestätigen, was die absolute Ausnahme ist. Wenn bei Dir diese Diagnose feststeht, dann muss Deine ambulante oder stationäre Therapie, und gemeint ist damit nicht nur eine reine Entgiftungstherapie, sondern eine „Stabilisierungstherapie“, dann kannst Du erst nach Abschluss dieser stabilisierenden Therapie beginnen, Abstinenz für die MPU über ein Jahr nachzuweisen.
Die Frage, ob Du die Voraussetzungen einer „fortgeschrittenen Alkoholproblematik“ oder der Alkoholgefährdung erfüllen musst, ist nicht immer ganz leicht zu beantworten, da dafür grundsätzlich eine Befunderhebung erforderlich ist. Zur Befunderhebung müssen unterschiedliche Qualitäten überprüft werden, wie beispielsweise psychische und soziale Merkmale, Trinkbedingungen sowie Trinkmengen, Vermeidungsverhalten und tatbezogene Merkmale. Hierauf können wir in diesem Buch nicht eingehen. Als Daumenregel kannst Du Dir merken, je höher Deine Blutalkoholkonzentration von 1,3 Promille nach oben abweicht, je länger und mehr Du getrunken hast, desto wahrscheinlicher und sinnvoller ist, dass Du dauerhaft abstinent bleiben solltest.
Wir kommen später noch einmal auf diese Thematik zurück. Steht die Hypothese, als Diagnose fest, steht auch fest, welche Voraussetzungen Du für eine positive Beurteilung erfüllen musst. Die Kriterien für eine angemessene Aufarbeitung kannst Du der Abbildung entnehmen.